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Christoph Behnke 03/03
Breaching the campus
'Vivre en POF' von Fabrice Hybert im Kunstraum der Universität Lüneburg
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Unter den über 40 sogenannten POFs (Prototypen von Objekten in Funktion), die Fabrice Hybert anlässlich der Ausstellung 'Vivre en POF' auf dem Campus der Universität Lüneburg im Januar 2003 installieren ließ, befand sich auch eine 'Landebahn für Außerirdische'. Sie bestand aus Markierungen, die auf den Fußboden eines gläsernen Hörsaalgangs appliziert waren; ein rot umrandeter Kreis mit einem die Gesamtfläche des Kreises durchziehenden Richtungspfeil auf einen kleineren, direkt angrenzenden Kreis verweisend, in dem ein Kreuz unmissverständlich den Ort der imaginären Landung andeuten sollte. Die beiden seitlich durch gestrichelte Linien gerahmten Kreise bildeten ein von den Passanten auf ihrem Weg in die Hörsäle oder in die Bibliothek zu durchquerendes Territorium, dem nicht ausgewichen werden konnte. Stellen wir uns vor, Fabrice Hybert hätte den beiden im Rahmen der Ethnomethodologie berühmt gewordenen Soziologen Lawrence Wieder & Don Zimmerman für ihre Konstruktion eines außerirdischen Soziologen ein Denkmal setzen wollen und sie animiert, dieser Kunstfigur eines erdfremden Sozialforschers die Aufgabe zu stellen, einen Bericht über den sozialen Gebrauch der POFs zu schreiben.[1] Als merkwürdige Eigenart der Erdenmenschen ist diesem Forscher bekannt, "dass ihre Mitglieder fast ohne Unterlass damit beschäftigt scheinen, sich selbst zu beschreiben und zu erklären"[2], dabei mit einem spezifischen Wissenstypus operierend, dem in vielerlei Hinsicht illusionären Alltagswissen. Eben dieses Alltagswissen vermag eine 'Landebahn für Außerirdische' auf dem Gelände einer Universität nicht zu decodieren – das jedenfalls hätte der erdenfremde Sozialforscher konstatieren können und damit ein zentrales Element der Wirkungsweise von Fabrice Hyberts POFs benannt: den Bruch mit Wissensbeständen des Alltags. Als aufmerksamer Feldforscher wäre unserem Soziologen allerdings nicht entgangen, dass diese Strategie des Bruchs seit Jahrzehnten zur gängigen Praxis der 'Kunstwelt' gehörte und dass derartige Krisenexperimente, indem sie mit dem Etikett 'Kunst' bezeichnet wurden, schließlich sozial handhabbar waren, wenn dies auch keineswegs ein spezifisches Wissen über Kunstwerke einschließen musste. Die Rezeption von Bildern zum Beispiel, so hätte Wieder und Zimmermans Soziologe feststellen können, stellte ein Kunstmittel der Ent-Fremdung dar, sofern Bilder - einer bestimmten okzidentalen Tradition folgend - als 'essentielle Kopie' (Norman Bryson) der 'Wirklichkeit' verstanden wurden: sie vermochten Unsichtbares ins Alltagswissen zu integrieren. Dieser im Sinne der Phänomenologie als 'natürliche Einstellung' fungierende Umgang mit Bildern wurde vom Modernismus ständig provoziert und konnte als außeralltägliche, quasi sakrale Bildproduktion sozial nur anerkannt werden, weil man solche Symbolproduktion einem Kunstreservat zuschrieb. Hybert knüpft an diese Tradition des Bruchs mit der 'natürlichen Einstellung' an, indem er Objekte ins Spiel bringt, die zum Kernbestand unserer Alltagswelt gehören: ein Schwamm, Tomaten, Plastikschüsseln, ein Regenschirm, Stühle, Obstbäume, Luftballons. Die Krise der Wahrnehmung entsteht, weil das Bekannte fremd wird: eine Treppe ohne Ziel, ein mit einem kleinen rechteckigen Holzstück markierter Baum, auf einem Tisch 'Alle Wasser der Welt', eine Unterwasserbrille, die auf ihrer Innenseite verspiegelt ist, eine Schaukel mit fingerähnlichen Ausbuchtungen auf dem Schaukelbrett. All dies wie beiläufig in einem sozialen Raum platziert, der durch Alltagsroutinen charakterisiert ist, die nicht, wie die spezifischen Orte der Kunstwelt, den institutionalisierten Bruch einschließen.

Harold Garfinkel, der 'Messias' der Ethnomethodologen, hat in den 60er Jahren an einem 'invisible college' lehrend, die sogenannten 'breaching experiments' erfunden: Erschütterungsexperimente, die, indem sie Alltagswissensbestände in Frage stellten, zeigen sollten, welche Methoden Menschen verwenden, um ihre tagtäglichen Situationen zu bewältigen: "The operations that one would have to perform in order to produce and sustain anomic features of perceived envirements and disorganized interaction should tell us something about how social structures are ordinarily and routinely maintained."[3] 'Reality work' Probleme ließ er z.B. durch Studenten entstehen, denen er vorgab, Geschehnisse bei ihrem Besuch zuhause über einen Zeitraum von 15 Minuten so zu betrachten, als wären sie Pensionsgäste und nicht Familienangehörige. Berühmt wurden auch seine Beratungsexperimente, wo Teilnehmer eines fingierten psychologischen Beratungsgesprächs von einem vermeintlichen Therapeuten nur Antworten erhielten, die anhand von Zufallszahlen generiert worden waren. Sinnlose Sachverhalte und Szenen wurden von den Probanden interpretiert, als seien sie sinnvoll. Das Programm der Ethnomethodologen zielte also auf die Beschreibung der 'folk theories', welche die sozialen Akteure in ihrer Praxis anwenden, ähnlich den Analysen von Durkheim über primitive Klassifikationsformen.

Die POFs von Fabrice Hybert funktionieren in einem gewissen Sinn wie ein 'breaching experiment'. Für den außerirdischen Soziologen jedenfalls könnte der Eindruck entstehen, dass die Erdengesellschaft sich soziale Räume leistet, in denen sie wissenssoziologisch experimentiert; sie vergewissert sich ihrer Verständigungsressourcen, indem sie diese analysiert. Allerdings wirft der innere Zirkel der Kunstwelt wohl eher gelangweilte Blicke auf solcherart 'reality work', hier kann das 'breaching experiment' nur noch als Markenkonstruktion für den Künstler fungieren, nicht aber als tatsächliche Verunsicherung von Alltagswissensbeständen. Die nicht professionell ausgerichtete Rezipientenschicht der POFs von Hybert, zumal jene, die seinen Objekten nicht im Kunstkontext begegnen, mögen zumindest Fragestellungen entwickeln, die im Sinne von Garfinkel durch die Diskreditierung von Hintergrunderwartungen entstehen: Bekannte Gegenstände fügen sich zu Ensembles, denen unmittelbar keine Sinnhaftigkeit zuzukommen scheint, das Bekannte wird fremd und die typischen Bewältigungen dieser Situation verlaufen entlang der Pole Xenophilie (Verherrlichung der Mehrdeutigkeit und Kreativität) und Xenophobie ( Aggression gegen das Aushalten von Mehrdeutigkeiten). Während sich im Zentrum der Kunstwelt die POFs zu visuellen Repräsentationen von neuen Bedeutungskonstruktionen fügen, einer 'Symbolwelt', deren Inhalt vom Künstler interessanterweise eher kryptisch kommuniziert werden muss, wirken die POFs einem breiteren Publikum gegenüber, als würde die Währung, mit der üblicherweise bezahlt wird, plötzlich als Zahlungsmittel nicht anerkannt. Ein ungefähr zwei Meter hoch gewachsenes, breit ausladendes Buschwerk, üblicherweise im Entrée einer Sparkassenfiliale platziert, trägt in der Krone ein ca. 1 Meter langes fabrikneues, unbehandeltes, gehobeltes Brett. Das Brett drückt einzelne Zweige nieder und befindet sich in einer Schieflage – es scheint jeden Moment abrutschen zu können. Um der Bedeutungsgenerierung eine Verankerung zu geben, nennt Hybert diesen POF 'Der Versicherer'. Die Kunstwelt fragt an dieser Stelle typischerweise, ob die Arbeit 'gelungen' sei und setzt damit voraus, dass die Situation durch Bezug auf ein spezifisches Alltagswissen zu bewältigen ist. Dieser Vorgang soll uns hier weniger interessieren. Unterstellen wir dem Künstler, dass er den Bruch mit der 'natürlichen Einstellung' gesucht hat – warum?

Pierre Bourdieu, der für die Arbeiten der Ethnomethodologen Sympathien hegte, hat deren Forschungspraxis verstanden als den Umgang mit 'der Illusion des sofortigen Verständnisses der Welt, der indigenen Erfahrung'. Das Alltagswissen ermöglicht eine soziale Praxis, die auf unmittelbarem Glauben basiert. "Es gibt keine vollständigere und umfassendere Zustimmung zur herrschenden Ordnung als diese infra-politische Beziehung der doxischen Selbstverständlichkeit, die dazu führt, Existenzbedingungen für natürlich zu halten, die empörend wären für jemanden, der unter anderen Bedingungen sozialisiert worden ist und der sie nicht durch die Wahrnehmungskategorien jener Welt erfasste."[4] Diese doxische Praxis verlässt der Ethnologe oder Soziologe und wirft sein 'kontemplatives Auge' auf die Methoden, die zur Anwendung kommen müssen, um jene radikale Zustimmung zur Welt zu generieren. Die Fremderfahrung versteht Bourdieu als eine sozial höchst wertvolle Ressource, die der Gesellschaft wie eine Art Medizin injiziert werden sollte. Der Bruch mit der 'natürlichen Einstellung' ist insofern zugleich auch Bruch mit einer bestimmten Spielart des Universalismus, der im postkolonialen Diskurs kritisch herauspräpariert worden ist. In diesem Sinne erzwingen die POFs von Hybert ein Innehalten, das phänomenologische Epoché, sie verweisen auf Ethno-Methoden der Objektwahrnehmung, bei denen es sich aufzuhalten lohnt, weil ihre Rezeption ein Modell dessen enthält, was soziologisch gesprochen ein soziales Kapital darstellt.

Die politische Linke hat die 'breaching experiments', das 'garfinkeln', wie Insider diese Praxis auch nannten, hauptsächlich wegen ihres Relativismus und Zynismus angegriffen. Die ganze Forschungspraxis sei nichts weiter als eine 'sophisticated cocktailparty'[5] hieß es und Alvin Gouldner ging sogar so weit, Garfinkel sadistische Motive zu unterstellen: "Der Schmerzensschrei ist ...Garfinkels Augenblick des Triumphes... Hier werden Objektivität und Sadismus aufs eleganteste miteinander verwoben."[6] Tatsächlich kann man fragen, ob die Ethnologisierung des Hybertschen POF-Rezipienten wirklich gelingt, ob der 'Schmerzensschrei' – wenn er denn überhaupt eintritt – auch zu selbstreflexiven Reaktionen Anlass gibt, zumal ein wichtiges Element des breaching, die vollständige Auslieferung in die Situation, nur bedingt gegeben war. Sozialer Druck zur 'Bewältigung' der Rezeption konnte nur in ausgewählten Interaktionen erzeugt werden. Selbst wenn wir eine gelungene 'Erschütterung' unterstellen, kann auch auf dem Hintergrund der interessanten Grundlagenforschung der Ethnomethodologen die Frage nicht von der Hand gewiesen werden, ob die Generierung eines 'Geheimwissens' nicht eher zu einer Mystifikation des Künstlers führt, denn zu einer selbstreflexiven Fremderfahrung, wie sie die Forschungspraxis der Ethnomethodologie intendierte. Die Auflösung der durch die POFs hervorgerufenen Rätsel dürfte darin liegen, sie zunächst als Repräsentationsform von 'breaching experiments' zu lesen, sie aber nicht 'für die Sache selbst' zu halten. Ihr spekulativer symbolischer Gehalt – also die Konstruktion von Sinnstrukturen, die sich aus der rätselhaften Verwendung der Objekte ergibt - stellt aus dieser Perspektive die Kärnerarbeit der Ent-Fremdung durch die Kunstkritik dar. Dem vorgelagert ist die Fremdheitserfahrung in der eigenen Kultur.

Einigen POFs waren Videoabspielgeräte beigestellt, auf denen der Gebrauch der Objekte, ihr 'Testoo' (Teste tout) von Éliane Pine Carringhton vorgeführt wurde. Sie sollten eine kontemplative Partizipation des Publikums verhindern, indem sie die Aura der Unnahbarkeit, das Tabu der Berührung virtuell überschritten und zugleich eine Art Schlüssel zur Bedeutungsgenerierung anboten. Diese Aufforderung zum Test, die dem rituellen Gebrauch der Kunst ganz entgegen gesetzt ist, ist aber nur eine Geste, durch welche die Sinnverweigerung noch verstärkt wird, denn die Objekte sind technisch unzuverlässig, sie funktionieren nicht 'wirklich', sie sind eigentlich nur Skizzen: Als solche verweigern sie den illusionistischen Kunstwerkcharakter und heben ausschließlich ab auf die Objektkonstruktion als Bedeutungsträger. So wie das abstrakte Bild die Erwartung der essentiellen Kopie unterläuft, verweigern die installierten POFs von Hybert das zu sein, was sie dem ersten Anschein nach zu sein vorgeben: praktische Gegenstände des Konsums bzw. 'Prototypen', deren Verwendung für die industrielle Massenproduktion unmittelbar bevorsteht. Der Vorgang des Testens verweist aber zugleich auf eine Art Basar- Ökonomie, die hier gegen den tauschwertorientierten Konsumfetischismus und gleichermaßen gegen die magischen Praktiken der white-cube Ästhetik eingeführt wird. Sie zielt auf eine aktivische Partizipation der Rezipienten. Wir können fragen, ob diese intendierte Involviertheit des Publikums über das poststrukturalistische Konzept vom 'viewer participant' hinausgeht. Wenn wir uns die Betrachter als Mitwirkende bei der Bedeutungsgenerierung denken und die postheroischen Künstler als diejenigen, die Kulissen inszenieren, von denen sie hoffen, dass sie 'symbolträchtig' sind, so sind die Unterschiede zwischen kontemplativer und aktivischer Partizipation nur gradueller Natur. Es wäre ja auch ein Missverständnis zu glauben, dass die POFs 'wirklich' getestet werden sollen: Sie geben das Bild eines zu testenden Objekts ab und es bleibt den Betrachtern überlassen, dieses Bild selbst bevölkern zu wollen.

Hybert hat darauf hingewiesen, dass die POFs für Verhaltensweisen stehen sollen – als solche sind sie nie festgelegt und Erfindungen sind sie in eben dem Maße, wie sie Verhaltensweisen hervorbringen – die Tasse aus der ich Café trinke, die mir aber auch als kleines Urinoir dienen kann. Wenn der Schock der enttäuschten Hintergrunderwartungen also überstanden ist und das Fremde probeweise in das Alltagswissen integriert wird, könnte Humor der soziale Kitt sein, mit dem dies zuwege gebracht wird. Die in Verhaltensweisen aufgelösten Objekte werden verwandelt in das, was sie nicht sind und wir lachen über ihre Mutation. Aber hier bewegt sich Hybert ganz auf der Linie der Situationisten, die ja die Methode des détournement eben nicht als Parodie oder Komik verstanden wissen wollten, sondern die "Gleichgültigkeit gegenüber einem sinnentleerten und vergessenen Original ... und eine gewisse Erhabenheit" auszudrücken wünschten.[7] Hybert verweigert diesen Weg der Ent-Fremdung auch und beruft sich stattdessen darauf, dass seine POFs mit einem 'Theoriemotor' arbeiten würden, der die objektivierende Wahrnehmung als Design oder eben Komik zu verhindern hätte.[8]

Es empfiehlt sich, die Intentionen des Künstlers bei der Analyse des sozialen Gebrauchs der POFs nur als einen spezifischen Beitrag bei der Konstruktion der Situation zu begreifen. Jede/jeder nimmt auf seine Wiese an der Ausarbeitung und Fertigstellung eines Werkes teil. Was aus Sicht der Soziologie eine Voraussetzung solcherart Produktion darstellt, ist die Möglichkeit der 'Transmutation', die Übertragung von Qualitäten, der Glaube an die Materialisation geistiger 'Wesenheiten' und an die Spiritualisierung materieller Objekte, eines der herausragenden Themen der Durkheimschen Soziologie. Hybert führt diese Praxis symbolisch vor, seine Objekte verwandeln sich in ein 'sinnlich übersinnliches Ding' und wenn wir sie als 'breaching experiment' im Sinne Garfinkels verstehen, so besteht der eigentliche Wert dieser Installation darin, aus der Desorientierung heraus eine Position der Selbstreflexivität zu ermöglichen, die vergleichbar ist mit der des Ethnologen, der seine Feldforschung als 'participant observation' anlegt, der also seine eigenen Klassifikationen tendenziell aufzugeben versucht und den Prozess des 'Othering' durch größtmögliche Partizipation offen zu halten versucht.

In der älteren Tradition der Kunstsoziologie von Arnold Hauser, Georg Lukacs bis hin zu Frederic Antal wird die Interpretation von Kunstwerken durch Verweis auf die 'materiellen Produktionsbedingungen' vorgenommen. Dieses Modell der Übersetzung gilt als überholt, weil die Analogiebildung zwischen Kunst und Ökonomie etwas zu erklären vorgibt, welches nur durch Annahme einer black-box nachvollziehbar wäre. Wenn Fabrice Hybert nun aber die Welt der Ökonomie in seiner Arbeit zitiert bis hin zur Gründung eines eigenen Unternehmens zur Distribution und Entwicklung von POFs (UR = Unlimited Responsibility),[9] so ist die Versuchung groß, dieses Sujet in den Kontext der neoliberalen Ära des Kapitalismus zu stellen, die in Deutschland mit der regierungsamtlichen Schaffung sogenannter 'Ich-AG's' ihr karikaturhaftes Ende fand. Zeigt uns Hybert den Idealmenschen der 'new economy' der 90er Jahre, den kreativen, vorurteilsfreien 'neuen Kleinbürger' (Bourdieu), der seinen kometenhaften ökonomischen Aufstieg mit der Fähigkeit verband, immer neue 'Prototypen' zu erfinden, um der Individualisierungshysterie im sozialen Feld Nahrung zu liefern? Kann es aber auch sein, dass Hybert gar nicht 'zeigen wollte, dass', sondern ein ihm in die Hände gefallenes Material wie selbstverständlich zum Ausgangspunkt seiner Arbeit gemacht hat? Es trifft hier zu, was in der neueren Kunstsoziologie als 'Brechungseffekt' thematisiert worden ist: Das Material muss sich der sozialen Logik des Kunstfeldes fügen. Das Material für die POFs mag man auf den Müllhalden der 'new economy' finden; Hybert verwendet es, um seine Geschichte der Fremderfahrung und Partizipation zu erzählen. Der außerirdische Soziologe kann seinen Auftraggebern mitteilen, dass die vordergründig dysfunktional wirkenden POFs, die auf dem Planeten Erde den Eindruck vermitteln, als seien sie womöglich von erdfremden Wesen installiert worden, paradoxerweise, indem sie als 'Kunst' identifiziert werden, wie andere Objektwelten auf dem Planeten Erde auch mit einem spezifisch ausgeprägten Alltagswissen – hier dem der 'Kunstwelt' – problemlos rezipierbar sind. Wenn die POFs die gesicherte Einflusssphäre der Kunst verlassen- wie dies mit 'Vivre en POF' ansatzweise der Fall war – entsteht eine wissenssoziologische Laborsituation, über die noch wenig bekannt ist.



[1]  Siehe D.Lawrence Wieder und Don H.Zimmerman (1976): Regeln im Erklärungsprozeß. Wissenschaftliche und ethnowissenschaftliche Soziologie. In: Ethnomethodologie. Beiträge zu einer Soziologie des Alltagshandelns. Hg. von E.Weingarten, F.Sack und J.Schenkein. Frankfurt/Main. S.105-129

[2] a.a.O. S. 105

[3] Garfinkel, Harold (1963): A conception of and experiments with ‚trust’ as a condition of stable concerted actions, In: Harvey, O.J. (Hg.) Motivation and social interaction. New York . S. 187

[4] Bourdieu, Pierre (1993): Narzisstische Reflexivität und wissenschaftliche Reflexivität. In: Kultur, soziale Praxis, Text, hg. von E.Berg und M.Fuchs. Frankfurt/Main. S. 368

[5] zitiert bei: Patzelt, Werner J. (1987): Grundlagen der Ethnomethodologie. München. S. 39

[6] Gouldner, Alvin W. (1974): Die westliche Soziologie in der Krise Bd.2. Reinbek bei Hamburg. S. 471

[7] Debord, Guy & Gil J. Wolman: Gebrauchsanweisung für die Zweckentfremdung, S.2. http://www.twokmi-kimali.de/texte/gebrauchsanweisung_fuer_di.htm vom 1.11.02

[8] Der Arsch des Löwen, auch. Interview Fabrice Hybert – Hans Ulrich Obrist. In: Oumeurt Nr.3 (1997), S. 65,69

[9] Zur Anbindung von Hyberts Arbeit an die Ökonomie vgl. Fleck, Robert (1997): Die Idee des Warentests und Kunst aus Mathematik. In: Oumeurt Nr.3, S.129

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