raimund 
                        minichbauer: gabarage, 
                        das erste der beiden interventions-projekte, wurde 
                        im winter 2002/2003 durchgeführt und zielte darauf ab, 
                        eine struktur zu schaffen, in der ehemalige drogenabhängige 
                        nach einer langzeittherapie über sinnvolle, kreative und 
                        praktische arbeit zugang zum ersten arbeitsmarkt finden 
                        können. eingerichtet wurde eine werkstatt zum 'upcycling' 
                        ausgedienter oder fehlerhafter waren. wochenklausur hat 
                        sich schon 1998 in einem projekt mit upcycling beschäftigt. 
                        was ist die grundidee des upcyclings und wie wurde sie 
                        in dem projekt 1998 umgesetzt?  
                        wolfgang 
                        zinggl: die 
                        idee des upcyclings beruht im wesentlichen darauf, gegenstände, 
                        die aus dem warenkreislauf herausgenommen wurden, aber 
                        nicht unbedingt fehlerhaft sind, wieder zurückzuführen, 
                        und zwar für einen veränderten zweck. wenn beispielsweise 
                        verkehrsampeln erneuert werden, weil sie nicht dem letzten 
                        stand der technik entsprechen, sind die alten verkehrsampeln 
                        eigentlich noch tauglich, werden aber in der regel weggeworfen. 
                        die idee des upcyclings beruht darauf, diese eigentlich 
                        noch halbwegs funktionstüchtigen gegenstände einem neuen 
                        verwendungszweck zuzuführen. wir haben zum beispiel - 
                        um auf gabarage zu kommen - aus den linsen dieser 
                        ampeln vasen gebaut. das waren wertvolle materialien, 
                        die ansonsten weggeworfen worden wären. beim projekt 1998 
                        in linz war die grundintention, designer/innen über eine 
                        agentur mit ihren ideen zum upcycling an firmen weiter 
                        zu vermitteln, insbesondere an solche firmen, die regelmäßig 
                        mit größeren mengen an ausschusswaren aus dem produktionsprozess 
                        konfrontiert sind. ein beispiel sind fehlerhafte dosen 
                        von einer getränkefirma - wenn da nur ein ganz kleiner 
                        fehler vorliegt, wird das möglicherweise gleich tausendfach 
                        falsch gepresst. das projekt in linz wurde am ende einer 
                        agentur übergeben, die sich der sache kontinuierlich annehmen 
                        hätte sollen. soviel ich weiß, ist nur kurzfristig - ich 
                        glaube, ein jahr ungefähr - wirklich positiv und erfolgreich 
                        damit gearbeitet worden, und dann ist das so nach und 
                        nach eingeschlafen.   
                        raimund 
                          minichbauer: wie 
                          ist jetzt die idee wieder aufgegriffen worden? 
                           
                          wolfgang 
                          zinggl: ich 
                          glaube an diese idee immer wieder und nach wie vor. 
                          wir haben im zusammenhang mit gabarage auch 
                          vielfach die erfahrung gemacht, dass es unzählige solcher 
                          materialien gibt. was allein von der stadt wien - im 
                          verkehrswesen und darüber hinaus - an lampen und kleinteilen 
                          entsorgt wird, die völlig funktionisfähig sind, gibt 
                          einfach anlass zu überlegen, wie man diese materialien 
                          systematisch zurückführen kann. ich weiß vom anton proksch 
                          institut, das die werkstatt gabarage jetzt betreibt, 
                          dass es überhaupt kein problem ist, an material heranzukommen. 
                          einige anrufe bei verschiedenen firmen genügen, und 
                          schon findet sich massenweise material, das mit dem 
                          lkw abgeholt werden kann. mit etwas mehr finanzinvestitionsmöglichkeiten 
                          betrieben, könnte glaube ich mit dieser idee auch noch 
                          etwas größeres aufgezogen werden.   
                            
                        raimund 
                          minichbauer: wie 
                          ist der aspekt der beruflichen qualifikation konzipiert? 
                          wird vor allem darauf abgezielt, dass die leute unabhängig 
                          von gabarage die upcycling-idee weiter betreiben? 
                           
                          wolfgang 
                          zinggl: nein. 
                          die vorteile für diejenigen, die dort angestellt sind, 
                          lassen sich leicht zusammenfassen: erstens ist es eine 
                          bezahlte beschäftigung; sie sind also nicht arbeitslos 
                          und kommen in den anspruch auf arbeitslosengeld danach 
                          - was ja nach der therapie nicht gegeben ist. zweitens 
                          macht ihnen die arbeit spaß, weil sie ständig neue ideen 
                          entwickeln und experimentieren können, auch relativ 
                          wenig stress haben. das ist also eine tätigkeit, bei 
                          der arbeit mit lust verbunden ist und sinn hat. drittens: 
                          sie können, sobald sie in der gabarage aufhören 
                          - das ist ja nicht auf ewig gedacht, es gibt ja immer 
                          leute, die nachrücken wollen -, bei firmen bzw. bei 
                          leuten, die in ähnlicher weise arbeiten, gut andocken. 
                          das ist jetzt nach kurzer zeit auch schon zwei leuten 
                          gelungen.   
                            
                        raimund 
                          minichbauer: das 
                          projekt ist grundsätzlich durch eine förderung aus dem 
                          programm equal finanziert. ist es längerfristig 
                          gesichert?  
                          wolfgang 
                          zinggl: die 
                          finanzierung ist jetzt noch für zwei jahre gesichert, 
                          wobei das modell so angelegt ist, dass die equal-förderung 
                          immer geringer wird und ein immer größerer anteil selbst 
                          erwirtschaftet werden muss. alle hoffen, dass sich das 
                          projekt danach selbst trägt. ich weiß nicht, ob das 
                          möglich sein wird. wir werden sehen.   
                            
                        raimund 
                          minichbauer: wochenklausur 
                          arbeitet in den projekten normalerweise mit kunstinstitutionen 
                          zusammen. das war in dem fall nicht so. ist die wochenklausur 
                          hier erstmals von diesem prinzip abgewichen? wie sind 
                          die erfahrungen damit?  
                          wolfgang 
                          zinggl: ja. 
                          das ist das erste mal. die wochenklausur braucht diese 
                          kunstinstitutionen auch, um sich im feld der kunst weiterhin 
                          zu etablieren und zu behaupten. sobald die wochenklausur 
                          etwa von einer sozialinstitution oder von einer großen 
                          firma eingeladen würde, wäre es relativ leicht für leute, 
                          die nicht ganz verstehen, was daran kunst sein sollte, 
                          diese intention in den sozialbereich oder in den bereich 
                          des supervisings/managements abzuschieben. daher haben 
                          wir gesagt: schon allein deshalb, weil uns immer kunstinstitution 
                          einladen, ist das kunst, weil kunstinstitutionen künstler/innen 
                          einladen und keine sozialarbeiter/innen oder produktmanager/innen. 
                          in wien haben wir jetzt eine ausnahme gemacht, aus der 
                          überlegung heraus, dass die wochenklausur in wien einfach 
                          insbesondere im feld der kunst schon so profiliert ist, 
                          dass wir diese kontinuität nicht mehr brauchen, 
                          was sich auch als richtig herausgestellt hat.  
                           
                            
                        raimund 
                          minichbauer: hat 
                          das abgesehen von dieser frage auch auswirkungen 
                          auf die arbeitsteilung, dass dann z.b. das anton proksch 
                          institut grundsätzlich das projekt organisiert und die 
                          wochenklausur dann nur noch für den 'kunstpart' zuständig 
                          wäre?  
                          wolfgang 
                          zinggl: diese 
                          arbeitsteilung hat es nicht gegeben. wir haben von der 
                          anmietung eines objekts, suche eines werkstättenleiters, 
                          umbau des lokals, beschaffung der materialien, mediale 
                          absicherung und insgesamt medien-/öffentlichkeitsarbeit 
                          etc. alles wie bei den anderen projekten auch gemacht. 
                          ich bin z.b. auch selbst auf der leiter gestanden und 
                          habe ausgemalt. wir haben das projekt dann übergeben, 
                          und danach lassen wir immer die institutionen, die es 
                          weiterhin betreuen, völlig autonom arbeiten. das hat 
                          manchmal positives und erfolg, und manchmal geht es 
                          zumindest partiell in eine falsche richtung. das muss 
                          man akzeptieren. das ist so wie bei eltern, die ihre 
                          kinder irgendwann einmal selbst entscheiden lassen, 
                          welchen weg sie gehen, und dann vielleicht nicht ganz 
                          zufrieden sind damit. und es ist in dem fall auch so, 
                          dass wir nicht so ganz begeistert sind damit, wie jetzt 
                          gearbeitet wird.   
                            
                        raimund 
                          minichbauer: das 
                          zweite projekt, die intervention 
                          zur animation gesitig behinderter 
                          wurde im april/mai 2003 durchgeführt. zielgruppe sind 
                          vor allem ältere geistig behinderte menschen, deren 
                          fähigkeiten und begabungen wenig gefördert werden. das 
                          projekt zielt darauf ab, eine kommunikative, motivierende 
                          umgebung und beschäftigung zu schaffen, um diese defizite 
                          abzuschwächen. konkret erarbeitet hat wochenklausur 
                          ein jahresprogramm für die bewohner/innen des pflegezentrums 
                          in kainbach, 20km von graz entfernt. wie ist diese projektidee 
                          entstanden? war sie von beginn an mit diesem einen pflegezentrum 
                          verknüpft?  
                          wolfgang 
                          zinggl: wir 
                          wurden eingeladen, ein projekt zu erarbeiten im zusammenhang 
                          mit der betreuung von behinderten. nach den ersten recherchen 
                          war zu erkennen, dass es für geistig behinderte weniger 
                          angebote gibt als für körperbehinderte, und dass es 
                          bei der betreuung von geistig behinderten so etwas wie 
                          eine altersgrenze gibt, bei 35-40 jahren. Danach strengen 
                          sich die Institutionen nicht mehr besonders an. wir 
                          hatten mit allen einschlägigen institutionen in Graz 
                          kontakt aufgenommen und gespräche geführt über die 
                          betreuung und darüber, wo die mängel und probleme liegen. 
                          wir hatten den eindruck, dass die angebote allgemein 
                          recht gut sind, aber eines war in allen institutionen 
                          gleich: mit 35, wenn es aus entwicklungspsychologischer 
                          sicht nicht mehr viele perspektiven gibt, werden die 
                          behinderten - um es drastisch zu sagen: abgeschoben 
                          nach kainbach. und zwar fast alle; nur in wenigen einzelfällen 
                          können leute z.b. in häusliche pflege entlassen werden. 
                          in kainbach leben etwa 650 insass/innen, zum größten 
                          teil ältere. es gibt schon ein gewisses angebot, werkstätten, 
                          sport etc., aber wenig im verhältnis zur größe des zentrums. 
                          sehr viele leute machen überhaupt nichts - sie 
                          gehen den gang auf und ab und warten aufs essen, dann 
                          aufs fernsehen, um 19 uhr ist bettruhe, um sechs uhr 
                          früh stehen sie auf, warten aufs frühstück, aufs mittagessen, 
                          abendessen, dann eine stunde fernsehen.. und das jeden 
                          tag. bei so einem rhythmus werden menschen extrem hospitalisiert. 
                          ich glaube wer ohne geistige behinderung dort wohnen 
                          müsste, wäre nach einem jahr geistig behindert. diese 
                          verhältnisse sind keine ausnahmeerscheinung. wenn man 
                          sich die historische entwicklung der betreung von geistig 
                          behinderten ansieht, dann ist natürlich alles viel besser 
                          geworden. immerhin haben es die insass/innen warm, es 
                          ist alles sauber, sie haben zu essen, und sie werden 
                          nicht geschlagen - das muss man schon einmal so 
                          sehen. es gibt eine gewisse entwicklung, die bleibt 
                          meiner meinung nach aber immer noch sehr hinter den 
                          möglichkeiten zurück. das hat natürlich mit den finanzen 
                          zu tun, und mit personen, die sich darum kümmern. - 
                          kurz und gut: wir haben da angesetzt und versucht, etwas 
                          zu entwickeln.   
                            
                        raimund 
                          minichbauer: ich 
                          habe auf der wochenklausur-website zum projekt unter 
                          anderem diese stelle gefunden: "die klienten haben 
                          schwierigkeiten und dürfen sie haben. sie sollen sich 
                          zeit lassen und lediglich mit ihren stärken arbeiten. 
                          sie müssen weder geformt noch konditioniert werden." 
                          habt ihr diese grundhaltungen gemeinsam mit den mitarbeiter/innen 
                          der institution erarbeitet?  
                          wolfgang 
                          zinggl: nein. 
                          einige institutionen verfolgen den pädagogischen ansatz, 
                          dass die behinderten vor allem in jüngeren jahren etwas 
                          dazulernen müssen, in der hoffnung, sich damit einmal 
                          geld zu verdienen oder reintegriert zu werden. der satz, 
                          den du zitiert hast, ist von mir, und ich wollte damit 
                          sagen, dass ich glaube, man sollte es lassen, menschen 
                          die nicht so ticken, wie sich das eine gesellschaft 
                          wünscht, unter allen bedingungen zu "resozialisieren". 
                          diese leute sollen es verdammt nochmal gut haben. punkt. 
                          es steht ihnen zu, ein leben lang in einer gut organisierten 
                          und funktionierenden pension zu verbringen.  
                           
                            
                        raimund 
                          minichbauer: ihr 
                          habt in zusammenarbeit mit verschiedenen vereinen, firmen, 
                          privatpersonen in der umgebung für ein jahr ein programm 
                          erarbeitet, in jeder woche ein programmpunkt. das jahr 
                          ist jetzt im mai abgelaufen, gibt es schon feedback? 
                           
                          wolfgang 
                          zinggl: das 
                          treffen, um sich damit und vor allem mit der frage zu 
                          beschäftigen, wie das programm weitergeführt werden 
                          kann, wurde von der leitung in kainbach verschoben, 
                          weil es gerade terminprobleme gibt. ich habe also noch 
                          keine gesamtinformation, aber ich weiß, dass 
                          einige institutionen, die einen programmpunkt organisiert 
                          haben, gleich am selben tag angeboten haben, das im 
                          nächsten jahr wieder zu machen. also es gibt auf jeden 
                          fall von seiten einiger anbieter die möglichkeit, das 
                          längerfristig zu installieren. das problem ist, wer 
                          die organisation übernehmen wird. das personal in kainbach 
                          ist stark ausgelastet.   
                            
                        raimund 
                          minichbauer: ich 
                          möchte noch auf ein paar allgemeine fragen zur arbeit 
                          der wochenklausur eingehen: ein diskussionspunkt im 
                          zusammenhang mit der arbeit von wochenklausur ist das 
                          verhältnis von reformerischen und fundamentalkritischen 
                          ansätzen. als die wochenklausur 92/93 begonnen hat, 
                          war der kapitalismus gerade ohne kritik- oder gegenbewegungen. 
                          jetzt ist das mit der 'anti-globlaisierungsbewegung' 
                          doch anders geworden. stellt sich die frage, wie reformerische 
                          und fundamentalkritische ansätze vereinbart/koordiniert 
                          werden könnten, jetzt anders, gibt es dafür bessere 
                          voraussetzungen?  
                          wolfgang 
                          zinggl: ich 
                          bin der meinung, die ansätze schließen einander nicht 
                          aus. fundamentalkritik hat es auch 93 gegeben. ich war 
                          nie ein freund des kapitalismus, die frage ist nur: 
                          mit welchen methoden kriegt man was wie hin? und da 
                          hat sich in meiner vorstellung kaum etwas verändert. 
                          ich glaube nicht, dass man - wie das auch in den 70ern, 
                          und auch allgemein in der kunst als überlegung verbreitet 
                          war - mit fundamentalkritik wirklich etwas ändert. fundamentalkritik 
                          kann und soll und muss man äußern, aber sie verändert 
                          relativ wenig. daher denke ich, dass parallel zur kritik 
                          auch die grenzen ausgelotet werden müssen, wie weit 
                          ich selbst in der lage bin, im kleinen etwas zu verbessern. 
                          dabei ist interessant, dass ich z.b. als 16jährige/r 
                          wesentlich weniger möglichkeiten habe als später mit 
                          entsprechender erfahrung, etwas mehr geld und etwas 
                          mehr akzeptanz in der öffentlichkeit. ich hatte also 
                          weniger möglichkeiten, und trotzdem gibt es 
                          möglichkeiten. d.h. ich muss die möglichkeiten, die 
                          ich habe nur nutzen, und muss so weit gehen, als ich 
                          eben gerade kann. dann ist die differenz zwischen dem, 
                          was ich potenziell kann, und dem, was ich wirklich mache, 
                          konstant. ein beispiel: eine 16jährige mittelschülerin, 
                          die lediglich in der lage ist, im rahmen ihres klassenverbandes 
                          ganz bestimmte praktiken ihres klassenvorstandes, z.b. 
                          machistische, zu verändern oder zumindest partiell zu 
                          verändern, leistet von der differenz her aufgrund ihrer 
                          relativ geringen möglichkeiten genauso viel wie ein 
                          amerikanischer präsident oder deutscher bundeskanzler, 
                          der sehr viele möglichkeiten hat, aber diese vielleicht 
                          nicht so ausschöpft, und daher auf einer differenzwerteskala 
                          unter diesem leistungsniveau bleibt. d.h., um auf die 
                          frage nochmal zurückzukommen: die reformen machen wir 
                          alle gemeinsam, und ich bin sehr skeptisch, reformen 
                          nicht zu machen mit dem argument: das gehört vorher 
                          grundsätzlich gelöst. das wäre ein warten auf den sankt 
                          nimmerleinstag.   
                            
                        raimund 
                          minichbauer: wie 
                          ist es der wochenklausur in den jetzt doch über zehn 
                          jahren immer wieder gelungen, nicht in einzelnen problemfelder 
                          hängen zu bleiben, und z.b. zu sagen: das drogenproblem 
                          find ich wirklich wichtig, und jetzt machen wir nur 
                          noch das. haben sich solche fragen gestellt?  
                          wolfgang 
                          zinggl: ja 
                          klar. das ist fast eine art grundsatz der wochenklausur, 
                          dass wir ein und dasselbe problem - es wäre übertrieben 
                          zu sagen: generell - nicht mehr angreifen wollen. das 
                          wechseln des ortes, der aufgaben usw. bringt jedes mal 
                          einen neuen horizont, macht jedes mal neu spaß, ist 
                          jedes mal eine neue herausforderung. das sind die wichtigen 
                          rahmenbedingungen, die etwas wie flexibilität und kreativität 
                          im zusammenhang mit dem spaß, der auch dabei ist, erst 
                          anregen. wenn ich ewig das gleich mache und immer schon 
                          weiß, wie das geht, und da und dort vielleicht eine 
                          kleine innovation stattfindet, dann mag das ja auch 
                          sehr sinnvoll sein, aber es entspricht nicht dem, was 
                          so landläufig unter flexibilität und künstlerischem 
                          verschieben des horizonts verstanden wird. und das 
                          ist ja für mich eine - nicht kunsthistorisch festzumachende, 
                          sondern eher psychologische - unterscheidung zwischen 
                          jemandem, der im künstlerischen feld arbeitet, und jemandem, 
                          der in einen herkömmlichen betrieb eingebunden ist. 
                          dass z.b. selbst bestimmt ist, wann die arbeit beginnt, 
                          was zu tun ist und wie mit dem geld gewirtschaftet werden 
                          soll.  
                          der 
                          ansatz besteht darin, die gleichen sozialpsychologischen 
                          grundbedingungen, wie sie künstler/innen immer hatten, 
                          zu schaffen, in der hoffnung, dass diese flexibilität 
                          und kreativität und dieser innovationsgeist auch bleiben, 
                          um es für etwas einzusetzen, das bis jetzt als nicht 
                          unbedingt tauglich für die kunst angesehen wurde. 
                            
                            
                        raimund 
                          minichbauer: die 
                          projekte sind darauf angelegt, sehr schnell bestimmte 
                          ergebnisse zu erreichen. wie funktioniert das, gleichzeitig 
                          schnell ergebnisse zu erreichen, aber nicht die falschen 
                          wege abkürzt. es ist z.b. wahrscheinlich einfacher, 
                          einen bürgermeister unter druck zu setzen, dass er etwas 
                          macht, als einen basisdemokratischen 'umweg' zu suchen. 
                          gibt es da sozusagen 'grundprinzipien', damit das nicht 
                          passiert?  
                          wolfgang 
                          zinggl: was 
                          wir oft diskutieren in der gruppe, insbesondere schon 
                          bei der aufgabenstellung neuer projekte, ist ein ansatz 
                          - gabarage wäre da ein negatives beispiel -, 
                          zwei fliegen auf einen streich zu erledigen. im fall 
                          von gabarage sind das upcycling und hilfe für 
                          ehemals drogenabhängige. ich versuche bei solchen ideen 
                          immer einzubringen, dass es besser ist, sich auf eine 
                          sache zu konzentrieren und nicht zwei oder drei probleme 
                          gleichzeitig zu übernehmen. das ist eine antwort auf 
                          die frage, die du jetzt gestellt hast. wenn ich gleichzeitig 
                          an der reform der basisdemokratie arbeiten möchte und 
                          ein ja des bürgermeisters für ein konkretes projekt 
                          haben möchte, verbinde ich zwei anliegen miteinander. 
                          das zu erreichen ist allemal schwer. daher muss man 
                          zuerst wissen, was man möchte, und darauf hinarbeiten, 
                          und dann, wenn man es erledigt hat, kann man das andere 
                          problem in angriff nehmen. wenn ich sage: ok, wir wollen, 
                          weil wir dieses projekt zum abschluss bringen wollen, 
                          ein ja des bürgermeisters. dann verzichte ich auf das 
                          zweite anliegen, auf das basisdemokratische. natürlich 
                          muss ich erstens im rahmen der gesetze bleiben, und 
                          zweitens im rahmen des ethischen und darf grenzen nicht 
                          überschreiten. ein anderes beispiel - ich kann nicht 
                          kapitalistische firmen in ihrer verbreitung stoppen, 
                          und daher deren produkte nicht mehr kaufen, und gleichzeitig 
                          mich so halbwegs wohlfühlen und die kraft haben, die 
                          ich brauche, um verbesserungen zu erreichen. wenn ich 
                          z.b. auf alle produkte verzichte und keine produkte 
                          mehr kaufe, die aus betrieben kommen, deren produktions- 
                          und kapitalanhäufung ich ablehne, dann fühle ich mich 
                          einfach nicht mehr wohl und habe auch keine kraft mehr, 
                          irgend etwas anderes zu machen. ich kann also nicht 
                          ständig auf alles, was zu verbessern ist, rücksicht 
                          nehmen, sonst kriege ich nichts mehr hin.  
                           
                            
                        raimund 
                          minichbauer: im 
                          nachhinein betrachtet hätte man aus gabarage 
                          eigentlich zwei projekte machen sollen?  
                          wolfgang 
                          zinggl: nein, 
                          das ist in diesem fall etwas anders. die grundüberlegung 
                          war, etwas für leute zu entwickeln, die aus der drogentherapie 
                          kommen. - wie kann man sie einer sinnvollen beschäftigung 
                          zuführen, ohne dass sie sofort frustriert sind? sie 
                          werden normalerweise an betriebe weitergeleitet, in 
                          denen sie dämliche arbeit machen und nichts bezahlt 
                          bekommen und ausgenutzt werden, bis sie die schnauze 
                          voll haben und sich sagen, das leben hat doch keinen 
                          sinn, und sie wieder zur droge greifen. wenn sie aber 
                          sehen, dass es auch unabhängig von der droge ein leben 
                          gibt, das lebenswert ist, dann könnte das projekt funktionieren. 
                          die richtung, in der wir nach ansätzen gesucht haben, 
                          war naheliegend: was kann spaß machen? etwas kreatives, 
                          wo ich etwas produzieren und dann verkaufen kann. wo 
                          brauche ich kein geld und kann trotzdem etwas tun, das 
                          mir spaß macht? da hat es sich fast automatisch ergeben, 
                          dass wir wieder auf die idee des upcyclings gekommen 
                          sind. aber es wäre drastisch gewesen, wenn man davon 
                          ausgegangen wäre: wir haben das eine problem mit den 
                          ehemaligen drogenabhängigen und wir haben das andere 
                          problem mit materialien, die entsorgt werden, obwohl 
                          sie eigentlich noch tauglich wären. welches projekt 
                          könnte ich machen, um die beiden fragen zusammenzuführen? 
                          das wäre sehr gefährlich, da läge die latte zu hoch. 
                          wie in dem beispiel mit bürgermeister und basisdemokratie. 
                          da muss ich wirklich ein problem bewusst zurückstecken 
                          - und vielleicht auch meine ohrfeigen dafür bekommen, 
                          das ist egal. aber dafür habe ich etwas anderes hingekriegt. 
                            
                            
                        raimund 
                          minichbauer: was 
                          sind die nächsten projekte der wochenklausur?  
                          wolfgang 
                          zinggl: es 
                          gab in der zwischenzeit noch ein projekt, in helsingborg. das nächste findet in liverpool 
                          statt im juli/august, wo wir mit tenants - bewohner/innen 
                          von hochhaussiedlungen - gemeinsam ein fernsehprogramm 
                          einrichten und gestalten. fünf skyscrapers, die in den 
                          60er jahren im zuge des sozialen wohnbaus errichtet 
                          wurden, leiden darunter, dass ihre bewohner/innen dort 
                          alt geworden sind. die kinder sind weggezogen, und die 
                          damals jung zugezogenen sind jetzt pensionist/innen. 
                          genau genommen ist das ein riesiges pensionist/innenheim, 
                          aber ohne die infrastruktur und betreuung eines pensionist/innenheims. 
                          wir wurden eingeladen, etwas kreatives zu entwickeln 
                          und zu installieren. wir werden gemeinsam mit den bewohner/innen 
                          jede woche zwei bis drei stunden hauseigenes fernsehen 
                          gestalten. wir werden einen eigenen kanal einrichten 
                          - wir haben rausgefunden, dass es beim eingang aller 
                          hochhäuser kameras gibt, um zu kontrollieren, wer kommt. 
                          die idee war, wenn wir diese fünf zusammenschließen, 
                          haben wir eigentlich einen fernsehkanal. den werden 
                          wir einrichten, und dann werden wir mit den bewohner/innen 
                          gemeinsam woche für woche programm machen. aber nachdem 
                          wir nur sechs wochen dort sind, werden wir dieses programm 
                          im vorfeld - ähnlich wie in kainbach - programmieren 
                          für das ganze jahr, und uns dann verabschieden. 
                           
                          raimund 
                          minichbauer: vielen 
                          dank für das gespräch.   
                            
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