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                         Wir lassen es nicht zu, mit den Fangarmen der Legalität 
                          erwürgt zu werden. Wir überschreiten das Territorium 
                          der Legalität und des Erlaubten. Wir suchen andere 
                          Formen des Bewohnens, des Prioritätensetzens, der 
                          Kommunikation, des Inbesitznehmens. Wir erschließen 
                          neue Möglichkeiten zur Aneignung unserer Fähigkeiten, 
                          Potenziale, Träume und Utopien. Emigrieren ist 
                          ein Grundrecht! 
                          (Luzenir Caixeta, aus Migrantische Öffentlichkeitsarbeit 
                          als Kulturarbeit, Konferenz Transversal) 
                          
                        "City Views" versteht sich als "work 
                          in progress" und wird in Zusammenarbeit mit MigrantInnen[communities] 
                          in europäischen Städten realisiert. Es werden 
                          emanzipatorische Orte aber auch Orte des Ausschlusses 
                          migrantischer Öffentlichkeiten aufgesucht und in 
                          Form einer mit Text kommentierten Fotoserie verarbeitet. 
                         
                        Ergänzend dazu wird in einem Video Fragestellungen 
                          nachgegangen, die durch die Zusammenarbeit mit den am 
                          Projekt beteiligten StadtbewohnerInnen aufgeworfen worden 
                          sind. 
                        Kooperationen mit Kunstinstitutionen in den verschiedenen 
                          Städten sehen vor, die Recherche im Vorfeld und 
                          die Realisierung des Projekts zu unterstützen. 
                          Am Ende dieses Prozesses steht die Präsentation 
                          der ausgearbeiteten Ergebnisse der jeweiligen Stadt 
                          zusammen mit denen anderer Städte als Ausstellung. 
                         
                        So werden in der Ausstellung verschiedene Perspektiven 
                          auf die jeweils untersuchten Städte zueinander 
                          in Beziehung gesetzt und Einblicke in verschiedene Städte 
                          mit Blickrichtung auf die spezifischen sozialen und 
                          kulturellen Verhältnisse von urbanen Orten an welchen 
                          MigrantInnen[communities] agieren, geboten. 
                         
                          Theoretischer Hintergrund 
                        Anknüpfend an Derridas Konzept der differance 
                          (Differenz als bewegliche Kategorie von artikulatorischen 
                          Praxen), und im Gegensatz zum multikulturalistischen 
                          Differenzdiskurs, der zwar kulturelle Vielfalt anerkennt, 
                          jedoch kulturelle Differenz kontrolliert und ethnisch-kulturelle 
                          Identitäten festschreibt, werden bei "City 
                          Views" die Sichtweisen von StadtbewohnerInnen mit 
                          unterschiedlichen kulturellen Hintergründen ins 
                          Zentrum gerückt. 
                        Wie unterscheiden sich ihre Lebensbedingungen von denen 
                          der majoritären Gesellschaft? Wie sehen diese Differenzen 
                          aus? Inwieweit werden MigrantInnen durch "multikulturelle" 
                          Vorstellungen der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft stigmatisiert? 
                          Durch Kooperationen mit diesen StadtbewohnerInnen soll 
                          Differenz anhand von Orten, die in offiziellen Stadtansichten 
                          nicht vorkommen, oder anders dargestellt werden, visualisiert 
                          werden. 
                        Städte repräsentieren sich gerne über 
                          ihre Sehenswürdigkeiten und ihr "kulturelles 
                          Erbe". Vorstellungen, wie die vom "gemütlichen 
                          Wiener" oder dem "charmanten Franzosen" 
                          sollen eine eigene kulturelle Identität konstituieren, 
                          mit dem Ziel TouristInnen (gewünschte Fremde) anzulocken. 
                          In Prospekten, Fremdenverkehrsbroschüren oder Wahlbroschüren 
                          politischer Parteien werden durch bewusst gewählte 
                          Stadtansichten hegemoniale Vorstellungen einer stadt- 
                          und landestypischen Kultur repräsentiert. Kultur 
                          wird als Konsumobjekt fetischisiert und somit jedem 
                          instrumentellen Zweck dienstbar gemacht werden. Der 
                          Glaube an einen in sich geschlossenen Kulturraum legitimiert 
                          den Ausschluss minoritärer Gruppen, die nicht in 
                          dieses Bild passen. 
                        Im Zuge der sogenannten Globalisierung ist Kultur als 
                          integrierter, monolithischer Block, als identitätsbildendes 
                          Referenzsystem, das geographisch verortbar wäre, 
                          allerdings nur mehr bedingt aufrechtzuerhalten. Kultur 
                          wird offen für Interpretation und damit auch für 
                          "Übersetzung". Die Bedeutung wird ausgehandelt 
                          und ist umkämpft, so dass schließlich alle 
                          Formen von Kultur andauernd in einem Prozess der Hybridität 
                          sind. Das "Originäre" ist stets offen 
                          für Übersetzung, die Annahme eines totalisierten 
                          vorherigen Inhalts - einer Essenz - wird folglich haltlos. 
                         
                        Unter den Bedingungen des globalen Warenkapitalismus 
                          ist allerdings auch ein massiver Rückgriff auf 
                          ausgrenzende und ethnisierende Identitätskonstruktionen, 
                          statt einer Bewusstwerdung der eigenen Hybridität, 
                          zu beobachten. Die "westliche Gesellschaft" 
                          in welcher per Gesetz Flüchtlingen aus ärmeren 
                          Staaten die Einreise verweigert wird und die gezielt 
                          MigrantInnen ausschließt, produziert eine Kultur 
                          der Insensibilität, die sich sowohl im erstarken 
                          rechtsradikaler Gruppen, als auch in subtilen Alltagsrassismen 
                          niederschlägt. 
                         
                          Umsetzung  
                        Vor den Recherche- und Realisierungsaufenthalten werden 
                          die StadtbewohnerInnen in den jeweiligen Städten 
                          telefonisch bzw. schriftlich kontaktiert und eingeladen 
                          sich zu beteiligen. Fragestellungen, wie die der Macht, 
                          Repräsentation, der Produktion und der Aneignung 
                          des Raumes stehen im Vordergrund. Besonderes Interesse 
                          wird auf urbane Orte gelegt, die sich in Zwischenbereichen 
                          ansiedeln, kaum wahrgenommen werden oder durch die Machtverhältnisse 
                          innerhalb der Gesellschaft eine andere Codierung erfahren. 
                        Sieht man eine touristische Attraktion wie zum Beispiel 
                          das Wiener Rathaus als "Einbürgerungsmaschine" 
                          (B. Houman), wo MigrantInnen oft jahrelang um ihre Staatsbürgerschaft 
                          ansuchen müssen und immer wieder abgewiesen werden, 
                          so verlieren die am Rathausplatz häufig stattfindenden 
                          Freizeitveranstaltungen ihren weltoffenen multikulturellen 
                          Charakter.  
                        Im Kontrast zu solchen "Nicht-Orten" (Orte 
                          des direkten oder indirekten Ausschlusses), wird bei 
                          dem Projekt "City Views" das Schwergewicht 
                          auf emanzipatorische Orte gelegt.  
                        Focusiert werden Räume, die von MigrantInnen politisch 
                          und kulturell selbstverwaltet sind. Besonders wichtig 
                          ist in diesem Zusammenhang eine Kooperation mit der 
                          "Universal Embassy" in Brüssel (ehemalige 
                          somalische Botschaft in Brüssel, die von illegalisierten 
                          Flüchtlingen besetzt ist). 
                        Während der Aufenthalte in den Städten führen 
                          die am Projekt Beteiligten durch ihre Stadt und schlagen 
                          jeweilige Orte als Motive vor. Dabei wird auch die Art, 
                          wie die fotografische Aufnahme erfolgen soll gemeinsam 
                          festgelegt. In einem längeren Prozess wird über 
                          E-Mail die Auswahl der Fotos festgelegt und diese durch 
                          Textkommentare von den am Projekt Beteiligten ergänzt. 
                           
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